Füchse auf Vormarsch
Knittlingen/Maulbronn. Immer näher kommen Füchse den Siedlungsgebieten der Menschen. Dies beobachten die Revierförster im Enzkreis, etwa in Maulbronn. Und auch die Nahrungsgewohnheiten haben sich geändert: Statt Huhn und Gans ernährt sich Meister Reineke von Müll.


Bei Reinekes gibts jetzt Müll statt Gans
Füchse ändern ihre Lebensgewohnheiten und kommen dem Menschen immer näher

Von unserem Mitarbeiter Franz Lechner
Enzkreis. „Fuchs du hast die Gans gestohlen, gib sie wieder her“, fast jeder kennt das alte und auch nicht mehr ganz zeitgemäße Kinderlied. „Fuchs du hast den Mülleimer durchwühlt, mach ihn wieder zu“, wäre heute eigentlich der passendere Text.
Gänse jagt der rote Vierbeiner nämlich nur noch selten, stattdessen ernährt er sich vielerorts von dem was der Mensch als Abfall vor die Haustür stellt. Meister Reineke zieht nämlich gerade um. Aus dem tiefen, dunklen Wald in die hellbeleuchtete Nachbarschaft seines zweibeinigen Erzfeindes. Und zwar nicht nur zu den Großstädtern wie man inzwischen aus mehreren wissenschaftlichen Untersuchungen weiß, sondern auch in die Kleinstädte und gelegentlich sogar in die großen Dörfer.
Schließlich ist der Tisch beim Menschen so reich gedeckt, dass für einen anpassungsfähigen Allesfresser wie den Fuchs immer was abfällt. „Warum also mühsam hinter Tieren herjagen, wenn da, wo der Zweibeiner lebt, einem die gebratenen Tauben geradezu in das Maul fliegen“, scheint sich Meister Reineke daher immer häufiger zu sagen. Auch im Enzkreis.
„In Maulbronn werden hin und wieder Füchse am Stadtrand beobachtet, erzählt der Maulbronner Revierleiter Peter Pfitzer. Im vergangenen Frühjahr wurde sogar mitten am Tag in der Hilsenbäuer Straße ein Fuchs von Anwohnern entdeckt, weiß der Förster, weil die Anwohner damals sogar die Polizei informiert und die wiederum ihn zu Hilfe gerufen hatten. Auch in Mühlacker melden sich zunehmend besorgte Gartenbesitzer bei Jägern oder beim Förster, weil sie regelmäßig Fuchsspuren in ihren Gärten finden. Und der Kreisjägermeister Dieter Krail bestätigt, dass Meister Reineke zunehmend auch im Enzkreis in den menschlichen Siedlungsbereich vordringt. „Wegen der erfolgreichen Tollwutimpfungsaktionen der vergangenen Jahrzehnte haben wir heute mehr Füchse als je zuvor“, erklärt Krail, warum das so ist. „In den letzten Monaten wurden Füchse in Tiefenbronn und in Neuhausen beobachtet“, berichtet der Kreisjägermeister und ergänzt „in Pforzheim hatten wir sogar schon Jungfüchse in einem Hinterhof.“
Füchse, die in Städten ihren Nachwuchs auf die Welt bringen, sind längst nichts Unge-wöhnliches mehr. Im Gegenteil, die Fuchs-dichte in vielen Großstädten liegt laut wildbiologischen Untersuchungen etwa bei zehn Tiere pro 100 Hektar, in der freien Natur lebt auf der gleichen Fläche kaum mehr als ein Rotpelz. „Das Nahrungsangebot für Füchse ist im menschlichen Siedlungsraum viel höher als in der freien Natur“, erläutert Dieter Krail.
Zum Abendessen verspeist Meister Reineke allerdings nicht etwa ein Huhn oder eine der vielen Katzen, die bei den Zweibeinern herumlungern, seine Nahrung besteht überwiegend aus Abfall. Nahrungsreste im Mülleimern und auf Komposthäufen machen einen wesentlich Teil der Nahrung von Füchsen aus, die in die menschliche Nachbarschaft umgezogen sind. „Aber auch Katzen- oder Hundefutter, das irgendwo vor der Haustür steht, ist dem Fuchs willkommen“, ergänzt der Kreisjägermeister. Zäune sind für den listigen und sprunggewaltigen Verwandten des Hundes nämlich kein Problem.
Mehr als 50 Prozent seiner Nahrung bezieht ein städtischer Rotpelz direkt oder indirekt aus Menschenhand, ergab dann auch eine wissenschaftliche Untersuchung der Universität in Stuttgart-Hohenheim. Ein weiteres Ergebnis der Untersuchung, die sich mit den Lebensgewohnheiten von Füchsen in Dörfern und Kleinstädten beschäftigte: Einen Bau bewohnen Siedlungsfüchse nur noch selten. Die Fähe, wie die Frau von Meister Reineke heißt, bringt ihren Nachwuchs oft in alten Gartenschuppen oder gar im hintersten Eck einer Garage zur Welt. Eine Entwicklung, die vielen Menschen Sorgen bereitet. Nicht nur in Mühlacker und in Maulbronn, auch in den großen Schreberanlagen vieler Städte reagieren viele Menschen beim Anblick von Meister Reineke übertrieben ängstlich.
In Karlsruhe beispielsweise kaufen einzelne Schreber ihren Salat inzwischen lieber im Supermarkt. Grund für die Ängste ist der Fuchsbandwurm. „Ein Parasit, der im menschlichen Körper zu schweren Schädigungen der Leber bis hin zum Tod, führen kann“, erklärt Peter Pfitzer. Füchse nehmen den Parasiten über Mäuse auf und scheiden die winzigen Eier des Bandwurms mit dem Kot aus. Über verunreinigte Gartenfrüchte können die dann in seltenen Ausnahmesituationen in den menschlichen Körper gelangen.
Auch wenn die Gefahr sich mit dem Parasiten zu infizieren lange nicht so groß ist, wie viele Menschen befürchten, Meister Reineke gezielt füttern, wie das schon im manchen Großstädten geschieht, sollte man auf keinen Fall.




SEINE ANGESTAMMTE HEIMAT FELD UND FLUR tauscht Meister Reineke immer öfter mit den Hinterhöfen der Menschensiedlungen. Im Müll des Erzfeindes findet er seine Nahrung. Foto: Lechner


MIT DEN ERRUNGENSCHAFTEN DER ZIVILISATION, wie hier dem Maschendrahtzaun, haben Füchse mitunter noch Probleme. Aber ihre Anpassungsfähigkeiten sind groß. Foto: Lechner

BNN, 13.01.2007


Zurück zum Pressespiegel