Ein Ort mit vielen Metzeleien

Historiker Otfried Kies beleuchtet den „Tod in Knittlingen im 17. und 18. Jahrhundert“

Knittlingen. Geschichte schreiben meist die Herrschenden. Ihre Namen finden sich in den Geschichtsbüchern wieder. Historiker Otfried Kies dagegen beschäftigt sich mit dem Leben der „kleinen Leute“. Wie viel darüber selbst ihr Tod aussagt, erfuhren rund 60 Zuhörer im Faustarchiv Knittlingen. Das Faustarchiv in Knittlingen war denn auch zur Freude von Leiterin Heike Hamberger voll besetzt. Das große Interesse an der Knittlinger Ortsgeschichte hatte sich bereits bei der Auftaktsveranstaltung abgezeichnet, als Enzkreis-Archivar Konstantin Huber über die Schweizer Emigranten in Knittlingen gesprochen hatte. „Ortsgeschichte Knittlingen in Vergangenheit und Gegenwart“ solle deshalb auch weiterhin Schwerpunkt einer eigenen Vortragsreihe sein, sagte Hamberger und kündigte die Veröffentlichung der einzelnen Vorträge in Buchform an.
„Ich möchte, dass die Menschen wieder einen Namen und ein Gesicht bekommen“, so Historiker Kies über seine Arbeit mit ortsgeschichtlichen Quellen, die ihn jetzt zu den Knittlinger Toten- und Taufbüchern führte. Die bildeten wesentliche Grundlage seiner Ausführungen über den „Tod in Knittlingen im 17. und 18. Jahrhundert“.
„Für mich als Kind war Knittlingen der Ort, wo die Leute gestorben sind, weil hier immer viele Metzeleien waren“, stellte der 71-jährige aus Brackenheim zu Vortragsbeginn klar. Tatsächlich gehörten Württemberg und der Kraichgau zu den Hauptzerstörungsgebieten des Dreißigjährigen Krieges. Verantwortlich für den extremen Bevölkerungsrückgang in Knittlingen waren die Zerstörungen von 1632 und 1649, die große Pestwelle von 1634/35 und in ihrem Gefolge weitere Seuchen, Krankheiten und Hungersnöte.
„Die Hälfte der Toten eines Jahres waren Kinder in den ersten Lebenstagen und -wochen,“ stellte Kies als Faustregel auf. Neben der Kindersterblichkeit war auch die Müttersterblichkeit hoch, berichtete der Historiker. Blutfluss, Engbrüstigkeit, Epilepsie, Fieber, Geschwulst, Hektische Krankheit, Schlagfluß, Wassersucht, Gicht, Ruhr und unter anderem Kinderblattern ließen die Menschen sterben. Noch ein Krankheitsbild: „Zustand“. Der Historiker: „Noch heute hört man: „Da könnte man Zustände kriegen“ – das deutete auf eine mit Krämpfen verbundene Krankheit hin.
Tödliche Unfälle hingegen spielten eine geringe Rolle, „richtige Morde“ kamen zwischen 1650 und 1720 nur drei Stück vor. Über Hinrichtungen gibt es laut Kies nur eine Nachricht und Suizide werden nur selten als Todesursache angegeben.
Problematisch wurde es, wenn Andersgläubige starben. 1690 wurde dem Verstorbenen „wegen widriger Religion keine Leichenpredigt gehalten“, zitierte der Oberstudienrat. Wer auf ein ordentliches Begräbnis Wert legte, musste der evangelischen Kirche beitreten.
Sonst erging es ihm wie 1661 dem katholischen Bettler: „Weil er nun catholisch gewesen, ist ihm kein Leichpredigt gehaltten, aber doch auff unsern gewohnlichen Kirchhoff begraben, an ein besonders Eckhlin.“ Ulrike Stahlfeld



VOR VOLLEM HAUS: Faustarchiv-Leiterin Heike Hamberger und Referent Otfried Kies. Foto: eld


BNN, 26.02.2008


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