Ein Mädchen für alles sagt leise Ade


Knittlinger Schulsekretärin geht nach 28 Dienstjahren in den Ruhestand - Ilse Hofmann begleitete drei Schülergenerationen


Das Telefon klingelt, eine Schülerin fragt nach Kreide, der Hausmeister will nur schnell etwas Organisatorisches besprechen und es klopft an der Tür - im Sekretariat der Dr.-Johannes-Faust-Schule in Knittlingen herrscht morgens geordnetes Chaos.
Die Zügel hält seit 28 Jahren Ilse Hofmann in der Hand und anfangs fiel es der 64-Jährigen schwer, sie in jüngere Hände zu übergeben. Im Sommer geht die Knittlingerin, die drei Schülergenerationen begleitet hat, in den Ruhestand. "Ich gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge, aber wenn ich drei Augen hätte, würden zwei weinen", sagt die resolute Frau mit dem festem Händedruck und schiebt den Besucher ins Sanitätszimmer.
Dort ist Ruhe. Mancher Schülerin bot Ilse Hofmann in den vergangenen Jahrzehnten hier eine Schulter zum Ausweinen, Eltern holten sich Rat bei ihr, sie schleppte Schüler, die sich verletzt hatten, resolut zum Hausarzt um die Ecke und hielt den Arm oder Kopf - je nachdem, was genäht werden musste.

In Vaduz zur Welt gekommen

1951 ist die gebürtige Lichtensteinerin mit ihrer Familie nach Knittlingen gekommen. Ilse Hofmann besuchte selbst die Faustschule und machte bei der Polstermöbelfabrik Straub ihre Ausbildung zur Industriekauffrau, bevor sie einen Knittlinger heiratete und ihre zwei Kinder bekam. Nach einem Halbtagsjob in einer Kanzlei wurde sie mit 36 Jahren Schulsekretärin: "Und an jedem Tag bin ich seitdem gerne zur Arbeit gegangen", sagt Ilse Hofmann. Auch als im Nachgang zu den Amokläufen neue Vorschriften und ein mulmiges Gefühl ständiger Begleiter waren: "Aber das lässt nach."
Mit vielen Lehrern ist die Knittlingerin per Du, geht mit auf Skifreizeiten und nennt die männlichen Lehrer ihre "Buben". Fotos vom Lehrkräfte-Nachwuchs zieren eine Wand im Sekretariat.
Ilse Hofmann behält den Überblick. Drei Rektoren und Tausende Schüler hat sie erlebt. Vor dem Computerzeitalter hat sie deren Abschlusszeugnisse oft mehrfach getippt, "ein Fehler und das Ganze nochmal von vorn", erinnert sich die 64-Jährige. "Als ich die Zeugnisse noch von Hand abgetippt habe, habe ich oft mitgelitten, wenn ein Schüler statt einer drei doch eine vier bekommen hat. Durch den PC ist das heute anonymer." Zuerst hat sie sich gegen den Computer gesträubt, mit Hilfe vor allem vom ehemaligen Konrektor Reinhold Hartmann dann aber doch berappelt. Sie freut sich mittlerweile auf die Rente, Ehemann Gerhard ist bereits seit vier Jahren im Ruhestand. Nachfolgerin Viktoria Hinz lernt die Schulsekretärin seit einigen Monaten ein. Die 22-jährige Verwaltungsfachangestellte könnte - wie so einige Kollegen an der Faustschule - Ilse Hofmanns Enkelin sein. "Ich komme gut mit Jüngeren klar, man muss sie irgendwann ans Ruder lassen", sagt Ilse Hofmann.
Als die 64-Jährige zurück ins Sekretariat kommt, hat Viktoria Hinz schon einige Fragen notiert, es kommt ein Fax, Rektorin Heidi Bopp ruft aus ihrem Büro, das Telefon klingelt mal wieder und Ilse Hofmann packt an - wie immer. Nadine Schmid



Ablösung: Viktoria Hinz wird von Ilse Hofmann (links) als neue Schulsekretärin der Faustschule in Knittlingen eingelernt. Schmid



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Dr.-Johannes-Faust-Schule

Drei Schularten Grund-, Haupt- und Realschule sind an der Dr.-Johannes-Faust-Schule zur Verbundschule zusammengefasst. Eine Werkrealschule neuen Typs mit der Nachbarstadt Maulbronn ist in Planung. Schon vor dem Jahr 1500 gab es in Knittlingen eine Lateinschule. Sie wurde unter anderem vom späteren Namensgeber Dr. Johannes Faust, Abt Entenfuß und Justinus Kerner besucht.
Der heutige Altbau wurde kurz vor dem Ersten Weltkrieg eingeweiht. Da die Schülerzahlen zunahmen, wurden 1970 und 1998 Anbauten notwendig. Etwa 870 Schüler aus Knittlingen, Maulbronn, Hohenklingen, Freudenstein, Ölbronn-Dürrn, Schmie, Kleinvillars, Zaisersweiher und Diefenbach werden heute von rund 60 Lehrern unterrichtet. pz/nad
www.faustschule.de

N.N.
Quelle
Verlag     : J. Esslinger GmbH und Co. KG.
Publikation     : PZ Mühlacker
Ausgabe     : Nr.92
Datum     : Donnerstag, den 22. April 2010
Seite     : Nr.23